1. Grundsätzlich:
Bei der Elektrolyse wirkt elektrischer Strom auf Leiter zweiter Klasse ein und ruft dadurch stoffliche Veränderungen hervor. Leiter zweiter Klasse sind Elektrolyten, das können wäßrige Lösungen sein oder grundsätzlich Flüssigkeiten, in den Ionen frei beweglich sind. (Schmelzen von Salzen) Durch die Wanderung der Ionen zu den Elektroden kommt der Ladungstransport (Stromfluß) zustande.
2. Wanderung der Ionen
Positve Ionen wandern zum - Pol, negative zum + Pol. Am - Pol nehmen die positven Ionen Elektronen auf, am + Pol geben die negativen Ionen Elektronen ab. Entsprechend den Definitionen findet somit am - Pol bei der Elektrolyse eine Reduktion statt, am + Pol eine Oxidation.
3. Welche Reaktionen laufen an den Elektroden ab?
Es laufen immer die Reaktionen ab, die den geringsten Energieaufwand erfordern, denn die Elektrolyse ist eine endergonische (unfreiwillige) Reaktion. Das bedeutet, das am +Pol die Reaktion mit dem negativsten Potential abläuft, am - Pol die mit dem positivsten Potential, so daß die geringstmögliche Zersetzungsspannung (s. u.) zustande kommt.
4. Wie erkennt man die Reaktionen, die ablaufen müssen?
a) Man muß alle Ionen und deren Konzentration aufschreiben, die sich in der Lösung befinden, also auch H+ und OH-. Dazu schreibt man sofort das entsprechende Normalpotential in eine Tabelle.
b) Dann berechnet man das wirkliche Potential mit Hilfe der Nernst'sche Gleichung.
c) Soweit erforderlich berücksichtigt man auch die Überspannungen.
Jetzt kann angegeben werden, welche Reaktionen bei der Elektrolyse ablaufen müssen (siehe 3)
5. Zersetzungsspannung
a) Definition: Die Zersetzungsspannung ist die Spannung, bei der eine sichtbare Elektrolyse einsetzt.
b) Bestimmung: Bei einem Experiment bestimmt man die Zersetzungsspanung in der Regel graphisch aus der Verlängerung des linearen Teils des Graphen zur x-Achse.
c) Erklärung.
Zur Erklärung der Zersetzungsspannung geht man am besten schrittweise vor. (Genauso, wie man die Spannung schrittweise steigert). Dabei muß man zwei Fälle unterscheiden: 1. Die Elektroden sind nicht bei der Elektrolyse beteiligt . 2. Die Elektroden sind bei der Elektrolyse beteilgt.
c.1.) Elektrolyse an Platinelektroden oder ähnlichen Stoffen, die sich durch die Elektrolyse nicht verändern.
Bevor eine Spannung angelegt wird, liegen nur die in der Lösung befindlichen Elektroden vor. Es geschieht nichts.
Jetzt legt man eine Spannung an, die kleiner ist als die Zersetzungsspannung. (s.o.) Als Folge tritt sofort eine Elektrolyse ein (wenn auch nicht sichtbar). Am -Pol wird ein Stoff reduziert, am +Pol wird ein Stoff oxidiert. Diese Vorgänge haben jetzt zur Folge, daß am - Pol die reduzierte Form des abgeschiedenen Stoffes in seiner Lösung vorliegt, am + Pol die oxidierte Form. Eine solche Anordnung aber nennt man galvanisches Element. Daß so etwas vorliegt, kann man daran erkennen, daß ein angelegtes Voltmeter eine Spannung anzeigt.
In diesem galvanischen Element laufen jetzt die zu der Elektrolyse umgekehrten Vorgänge ab: Die reduzierte Form des Stoffes am - Pol will wieder in die oxidierte Form übergehen, wobei sie Elektronen abgibt, die oxiderte Form am +Pol will in die reduzierte Form übergehen, wobei sie Elektronen aufnimmt. Das hat Folgen für den Stromfluß: Es fließt nämlich kein Strom.
Strom fließt nur dann, wenn sich elektrische Ladungen in einem Leiter bewegen. In der Versuchsanordnung "Elektrolyse" mißt man die Menge der durch den Draht fließenden Elektronen in der Einheit Ampere (mA). Nur wenn sich Elektronen durch den Draht bewegen, zeigt das Meßinstrument einen Stromfluß an. Unterhalb der Zersetzungsspannung aber fließt kein Strom: Die Stromguelle zieht zwar Elektronen aus dem +Pol, genau das gleich aber macht die oxidierte Form des abgeschiedenen Stoffes. Die Stromquelle pumpt Elektronen in den - Pol, genau das gleiche aber macht die reduzierte Form des abgeschiedenen Stoffes. Das Elektronendefizit im +Pol und der Elektronenüberschuß im -Pol der Elektrolyseapparatur kann also nicht ausgegelichen werden: Es fließt kein Strom.
Je mehr man jetzt die Spannung steigert, umso mehr wird die Stoffabscheidung an den Polen verstärkt. Entstprechend der Nernst'schen Gleichung erhöht sich damit aber auch die Spannung des gebildeten galvanischen Elementes. So folgt aus dem oben beschriebenen, daß solange kein Strom fließen kann, bis die Zersetzungsspannung erreicht ist, und die ist im Idealfall identisch mit der Spannung des gebildeten galvanischen Elemenets unter den gegebenen Bedingungen. (s. 4)
Ist die Zersetzungsspannung erreicht, überwiegt die Wirkung der Stromquelle, das elektrochemische Gleichgewicht kann sich nicht mehr auswirken, es wird ständig neuer Stoff abgeschieden. Entsprechend mißt man einen zur angelegten Spannung proportionalen Strom. (Ohmsches Gesetz)
c.2.) Elektroden sind bei der Elektrolye beteiligt.
Manche Elektroden, z. B. Metallelektroden können bei der Elektrolyse beteiligt sein, nämlich dann, wenn das an ihnen vorliegenden Potential am + Pol das negativste ist. In so einem Fall löst sich die Elektrode dann z. B. bei der Elektrolyse auf.
In jedem Fall gilt: Am + Pol läuft die Reaktion mit dem negativsten Potential ab, am - Pol die Reaktion mit dem positivsten Potential. Dabei müssen die Überspannungen immer mitberücksichtigt werden.
6. Diffusionsstrom
Theoretisch dürfte unterhalb der Zersetzungsspannung kein Strom fließen, denn ein Stromfluß bedeutet auch immer eine Stoffabscheidung. Es sollt also nach Aufbau des galvanischen Elementes, das die Gegenspannung erzeugt, kein Strom mehr fließen. Trotzdem fließt ein geringer, aber meßbarer Strom: Diesen bezeichnet man als Diffusionsstrom. Er kommt dadurch zustande, daß geringe Stoffmengen in die Lösung zurückdiffundieren und dadurch dem galvanischen Element verlorengehen.
Sie werden durch den Diffusionsstrom ersetzt.
7. Überspannung
Den Betrag, um den die Zersetzungsspannung den theoretischen Wert übersteigt, bezeichnet man als Überspannung. Sie wird hervorgerufen durch z. T. ungeklärte Effekte, wie kinetische Hemmungen, Oberflächeneffekte usw.
Beispiele für Überspannungen an Platinelektroden (in V)
Wasserstoff - 0,07
Sauerstoff +0,7
Chlor +0,08
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